Ukraine: Gemeinsam helfen, trauern, staunen und hoffen

2022-04-08 11:56

Sr. Maria Chiara berichtet von ihrem Besuch in Khmelnitski, Ukraine

Ein Mitarbeiter von Kolping Moldawien lud Sr. Malgorzata und mich das erste Mal im März, ca. drei Wochen nach Kriegsausbruch zum Mitfahren ein. Er fuhr mit zwei vollbepackten Kleinbussen zum Haus Kolping in der Stadt Ceranauti, die ca. 50 km entfernt von der rumänischen Grenze liegt. Hier bemüht sich Kolping vor allem um die Flüchtlinge, die vom Osten der Ukraine fliehen müssen. Auch das Krankenhaus wird von ihnen mit Pflegematerial und Medikamenten unterstützt. Diese werden für die Pflege der verwundeten Soldaten, die in diese noch ruhigere Stadt gebracht werden, dringend gebraucht.

Nach dem Abladen aller Hilfsgüter begleitete uns der Direktor des Kolpinghauses zu einer Schule, die in dieser Kriegssituation eine andere Bestimmung erhielt. Im Kellergeschoß trafen wir eine Gruppe von Frauen, die jeden Tag für über 450 Personen, Flüchtlinge, Soldaten und Arme kocht. Das Essen wird dann portioniert von den Freiwilligen des Kolpinghauses an die Bedürftigen ausgeteilt. Besonders auffallend war es zu sehen, wie alle Fenster der Sozialküche völlig mit Sandsäcken zugedeckt waren und die Frauen beinahe ohne Tageslicht im Kellergeschoss arbeiten mussten. Als ein bescheidenes Zeichen der Anerkennung für ihre großzügige Arbeit brachten wir für alle Schokolade mit und zwei große Kochtöpfe, über die sie sich riesig freuten.

Danach gingen wir durch die Schulklassen, in denen nicht Kinder beim Unterricht zu sehen waren, sondern Frauen und Männer, die Erste-Hilfe-Täschchen für die Soldaten nähten und vorbereiteten. In anderen Klassen wurden Netze geknüpft und mit passend zugeschnittenen Stoffbändern durchgezogen. Die Frauen erzählten uns, dass diese als Tarnvorhänge zum Abdecken von Panzern und anderen Schutzmaterialien gebraucht werden. Mit Tränen in den Augen erzählten uns die Frauen von ihren großen Sorgen um ihre Familien und von der Unsicherheit. Denn es kann jeden Tag auch ihre Stadt bombardiert werden. Eine jüngere Frau hatte schon ihren Bruder im Krieg verloren. Das war eine sehr berührende Erfahrung.

Ich staunte über den Mut und die große Hilfsbereitschaft dieser Frauen und Männer, die sich auf diese Weise für den Frieden ihres Landes einsetzen.

Erschütternd war für uns alle, als wir auf dem Heimweg die jungen Familienväter sahen, die sich mit Tränen in den Augen von ihren Frauen und Kindern an der Grenze verabschieden mussten, ohne zu wissen, ob sie sich wiedersehen werden.

Am Samstag, dem 2. April, konnte ich mit zwei Fanziskanern und einer Kindergartenpädagogin mitfahren. Wir fuhren nach Khmelnitski wo drei der Franziskaner leben und auch unsere Schwestern und Postulantinnen, die während dieser Kriegszeit in deren Convent ihren Zufluchtsort gefunden haben. Es war für mich wirklich eine große Freude, mich mit Sr. Svietlana und Sr. Viktoria treffen zu können. Es ist noch nicht lange her, dass Sr. Viktoria auf dem Weg von Athen einige Tage bei uns in Roman verbringen konnte, bevor sie in ihre Heimat Ukraine zurückging. Die Schwestern und die Postulantinnen helfen überall mit wo es nötig ist, sei es bei der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge, bei der Pflege der verwundeten Soldaten, die in dieser Stadt ins Krankenhaus gebracht werden und bei verschiedenen pastoralen Aufgaben. Die Postulantinnen konnte ich nicht treffen, weil sie momentan bei ihren Familien sind.

Nach dem Abladen der beiden mit Lebensmitteln, Bettwäsche- und Decken und medizinischem Material fürs Krankenhaus bepackten Kleinbusse erwartete uns die Köchin des Hauses mit einem leckeren ukrainischen Mittagessen. Sie erzählte uns, dass das Haus, in dem sie nun wohnen, vorher den Jesuiten gehört hat. Diese sind weggezogen und haben ihr Haus den Franziskanerpatres vererbt. Da das Haus und die Kapelle für den Gebrauch der Franziskaner zu klein waren, wurde alles etwas größer gemacht, sodass die Renovierungsarbeiten noch nicht ganz abgeschlossen sind. Die vergrößerte Kapelle ist als Wallfahrtskirche ernannt und einige größere Räume dienen für verschiedene pastorale und soziale Aktivitäten. Auch Flüchtlinge, die auf der Durchreise waren, konnten sich bei den Patres und den Schwestern stärken und ausruhen. Bald nach dem Mittagessen und dem gemeinsamen Austausch mussten wir wieder aufbrechen, da uns etwas über 400 km Rückreise erwarteten.

Diesmal sahen wir viel mehr Polizei und Soldaten an den Zufahrten zu den Dörfern oder Städten, die wie eine Wand bei aufgestellten Sandsäcken oder anderem Schutzmaterial wachten. Das weckte den Eindruck von großer Unsicherheit, Angst, Sorge und Anspannung der Menschen.

Bei der Durchfahrt sahen wir in mehreren Orten ein großes Marienbild hängen, auf dem in ukrainischer Sprache die Bitte an Maria geschrieben war, sie möge die Ukraine beschützen - ein schönes Land mit endlosen Weiten an Getreideäckern und Obstplantagen. – Möge es so sein, dass Maria, die Mutter des Friedens bei Gott ein schnelles Ende dieses schrecklichen Krieges erbete und die Menschen wieder mit Hoffnung und Zuversicht in ihrem geliebten Heimatland leben können.

Sr. Maria Chiara, SSpS

Foto: SSpS

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