Boa tarde familia!

Guten Tag, Familie! So begrüßt man sich hier eigentlich immer wenn man zu einer Gruppe dazustößt. Und das finde ich eigentlich so schön und so fühlt es sich für mich auch an, hier in N’Zeto. Ich werde aufgenommen wie in einer Familie. Wo man die guten und nicht so guten Seiten einer Person kennenlernt und sie trotzdem so akzeptiert. Das muss ich mir auch immer wieder vor Augen rufen, dass mein Zusammenleben mit den Schwestern nicht perfekt sein kann. Wie in einer Familie auch, gerät man manchmal aneinander, hat unterschiedliche Meinungen und Interessen. Aber im Endeffekt teilt man eben doch sein Leben miteinander und genießt diese gemeinsame Zeit.

Während ich diesen Brief an euch schreibe sitze ich gerade am Strand, warte auf den Sonnenuntergang und höre die Wellen rauschen. Das hört sich an wie in einem Traum und das ist es auch. Ich bin gerade so glücklich. Habe das Gefühl, dass Angola das Beste aus mir rausholt und ich nicht nur etwas geben kann sondern vor allem ganz viel zurückbekomme. Das Englisch-Unterrichten in der Schule macht mir so unglaublich viel Spaß, ich freue mich immer auf die Schule und habe auch mit den Lehrerkolleg:innen richtig Glück. Wenn ich etwas brauche oder das System hier noch nicht so ganz gecheckt habe, sind sie immer zur Stelle!

Allerdings ist das mit der Verlässlichkeit und Planung so eine Sache. Als wir uns ausgemacht haben den Stoff für die nächsten Wochen zu besprechen, war ich die einzige, die aufgetaucht ist. Generell ist die Schule hier mehr wie ein Bildungsangebot, wie mein Papa zu sagen pflegt. Wer Lust und Zeit hat oder sich nicht gerade um Geschwisterkinder kümmern oder arbeiten muss, geht in den Unterricht. Der Rest kommt allenfalls zur Schularbeit. Da Englisch als Fremdsprache zu den Nebenfächern zählt, muss man nicht einmal bestehen um in die nächste Klasse aufzusteigen. Auch für die Lehrer*innen ist es keine Verpflichtung wirklich zu jeder Schulstunde zu kommen. Jetzt im Mai „verabschiedet sich die Regenzeit“ und das tut sie mit ziemlich viel Regen. Wenns regnet, ist das ein Freifahrtschein zum Daheim-Bleiben, sowohl in der Schule als auch in der Arbeit. Auf dem Foto seht ihr, wie eine Schulklasse an so einem Regentag ausschauen kann- nämlich ziemlich leer.

Wenn ich denn nicht gerade einen Dienst im Spital mache, bin ich jeden Tag in der Schule. Ich habe von Anfang an gesagt, dass mir, entsprechend der Voraussetzungen, das Allerwichtigste ist, dass sie in meinem Unterricht Spaß haben und die Motivation finden, zumindest ein paar Wörter auf Englisch zu lernen. Die erste Hausaufgabe wurde schon einmal brav gemacht. Jede:r hat eine Sache mitgebracht, die sie oder ihn interessiert. Das kann ein Lied auf Englisch sein oder ein Video oder was auch immer. Das heißt in den letzten Wochen haben wir schon ein kleines Video übersetzt und dann nachgespielt oder ein Lied von Rihanna oder Ed Sheeran gesungen. Flirten ist gerade auch ein ganz großes Thema in diesem Alter also lernen wir auch so Phrasen wie „ich finde dich sehr hübsch“. Da sind dann immer alle ganz Ohr und schreiben fleißig die Sätze der Tafel ab. Und genau diesen Spirit möchte ich ja haben, diese Motivation und Begeisterung und wenn ich das weitergeben kann, dann macht mich das sehr glücklich!

Ich habe auch gelernt, dass ich meine steifen Ansichten von Machtverhältnissen ein bisschen lockerer sehen kann. Zum Beispiel war mir das am Anfang richtig unangenehm, dass manche Schüler:innen von mir dann bei den Pfadfindern in meiner Gruppe und teilweise sogar älter als ich sind. Wie soll ich mich da verhalten? Ist das nicht komisch? Wenn man mich in der Schule mit „Professora“ ruft aber bei den Pfadis einfach Elisabeth? Aber ich durfte die Erfahrung machen, dass ich einfach als Mensch gesehen und respektiert werde. Genauso dreht sich der Spieß dann wieder um, wenn eben diese Pfadi-Kolleg:innen mir dabei helfen, die Bundeshymne von Angola auswendig zu lernen oder mit mir Kikongo üben…

Auch in den Diensten ist es so schön zu sehen, wie ich immer mehr als Team zusammenwachse mit meinen Kolleginnen, wir uns immer besser ergänzen und die Stärken jeder erkennen und nutzen. Was ich bei meinem Ankommen hier noch als unhygienisch, dreckig und zumutbar empfunden habe, ist mittlerweile ganz normal geworden. Es hat sich eine Arbeitsroutine eingestellt und ich denk nicht mehr darüber nach, wie ich das in Österreich gemacht hätte, wenn ich doch nur Dies und Jenes zur Verfügung hätte…

Wenn gerade nicht viel los war, hatten wirs jetzt immer so lustig, weil nämlich auch noch Krankenpflegepraktikant:innen in unserem Dienst eingeteilt waren. Zu sehen, dass ich jetzt, obwohl ich ja auch noch nicht lange da bin, auch schon ein bisschen etwas erklären und herzeigen kann, war richtig schön. Als der Praktikant Gedes (auf dem Foto sind neben ihm auch noch meine Kolleginnen Mari und Etelvina zu sehen) dann zum ersten Mal eine Geburt gemacht und danach sogar die Geburtsverletzung mit mir genäht hat, war ich richtig stolz auf ihn und freue mich einfach, da einen Minibeitrag geleistet zu haben, dass ihnen dieses Praktikum Spaß gemacht hat und sie viel lernen durften. Als Ausgleich habe ich Kikongo Unterricht bekommen und sehe auch da so langsam schon Fortschritte. „Kiese outidi omoana niakala/nkentu“. „Glückwunsch, es ist ein Mädchen/Bub“. Wenn sie das hören, sind die Frauen und ihre Begleitpersonen immer ganz begeistert und antworten dann irgendetwas, das ich dann schon wieder nicht verstehe. Aber so ist das eben, wenn man eine Sprache lernt.

Ich glaube, ich habe langsam so meine Rolle gefunden. Wer bin ich, warum bin ich da, was ist meine Aufgabe, was wird von mir erwartet, wie kann ich es allen recht machen? Natürlich beschäftigt mich das immer noch, aber ich überdenke nicht mehr so viel die Situationen, sondern lasse es auf mich zukommen und „schwimme“ so mit.

Neben der Schwesternkommunität in der ich lebe, gibt es auch noch eine andere „WG“ von zwei Schwestern, die auch eine Art Mädcheninternat führen. 17 Mädchen aus den verschiedenen Ecken Angolas machen hier die Schule fertig und möchten eventuell Schwestern werden. Bisher ist es mir immer ein bisschen schwergefallen, einen Zugang zu ihnen zu finden. Ich gehöre ja weder zu den Schwestern, noch bin ich eine von ihnen aber vom Alter dann doch irgendwie in ihrer Gruppe und in der Schule dann wieder die Lehrerin… Dementsprechend hatte ich dann ein bisschen Bauchschmerzen als es hieß, dass ich ein paar Tage bei ihnen wohnen werde, da mein Zimmer für einen Besuch gebraucht wurde. Aber was soll ich sagen. Manchmal muss man sich eben den Herausforderungen stellen und den inneren Schweinehund besiegen. Von Tag zu Tag wurde es besser, wir haben einen immer lockerern Zugang gefunden. Gemeinsam gekocht, abgewaschen, Zöpfe geflochten, Abendgebete vorbereitet oder unsere Lieblingstelenovela geschaut. Diese paar Tage haben mir so gut getan und jetzt übernachte ich immer mal wieder ein oder zwei Nächte bei ihnen und genieße diese gemeinsame Zeit sehr!

Ich habe übrigens nicht vergessen, dass ich euch ja noch die Auflösung vom letzten Rundbrief schuldig bin. Das gesuchte Tier hat sich als Zebra Manguste herausgestellt. Vielen Dank an alle fürs mitraten und mich aufklären!

Mittlerweile ist die Sonne jetzt schon fast untergegangen, ich werde mich mal wieder auf den Heimweg machen und wünsche euch allen einen wunderschönen Mai! Ich freue mich immer auch etwas „vom Leben daheim“ mitzubekommen! Ganz, ganz liebe Grüße vom Strand in N’Zeto, fiquem bem, macht’s gut, eure Eli

 

P.S.: Übrigens war gestern (5.Mai) Welthebammentag! Ich bin unglaublich dankbar, dass ich so eine gute Ausbildung genießen durfte und jetzt diesen wunderschönen Beruf ausüben darf und hier in Angola nochmal eine ganz andere Sichtweise auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bekomme. Ein Hoch auf alle Hebis, wie ich uns liebevoll nenne! Auf dass wir in Zukunft noch mehr gesehen und gehört werden und jeder Frau und Familie eine individuelle und kompetente Betreuung zusteht. Damit am Schluss alle Babys ein paar Wochen nach der Geburt so Wonneproppen sind und so happy dreinschauen wie dieses Butzi hier.