Es geht mir supergut!
Elisabeth schreibt aus Angola: Mitte Mai hat die Trockenzeit begonnen, somit auch die „kühlere“ Jahreszeit. Statt „ay que calor“ (was für eine Hitze!) stöhnen jetzt alle „meu deus que frio“ (mein Gott, es ist so kalt).
Liebe Leute groß und klein! 8 de Junho 2023
Es ist wieder soweit- ein neuer Rundbrief aus Angola trudelt bei euch ein!
Und was soll ich sagen, es geht mir supergut! Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die Zeit vergeht wie im Flug, wir haben einfach schon Juni! Gerade erst habe ich noch Schneefotos von euch geschickt bekommen, jetzt sind auch in Österreich schon die sommerlichen Temperaturen angekommen. In Angola hat dafür Mitte Mai die Trockenzeit begonnen, somit auch die „kühlere“ Jahreszeit. Statt „ay que calor“ (was für eine Hitze!) stöhnen jetzt alle „meu deus que frio“ (mein Gott, es ist so kalt). Die Winterjacken und Hauben werden ausgepackt und ich denk mir nur, was würden sie dann noch anziehen wenns schneit? Für mich sind das jetzt so richtige Wohlfühltemperaturen, zum spazieren und sich draußen aufhalten ist der leichte Wind super angenehm. Ich habe jetzt auch eine neue Weggefährtin bei meinen Erkundungstouren, die Schwester Mitilene. Da die Schwester Angelina in den Kongo geschickt wurde, ist sie jetzt nach N’Zeto in die Gemeinschaft gekommen und lebt jetzt hier mit der Schwester Maria und mir hier. Auch sie ist supergern zu Fuß unterwegs, da haben wir uns also gut gefunden!

Wenn ich an das letzte Monat zurückdenke, dann würde ich sagen, „Ms. always busy“, wie mich viele in Österreich kennen, ist auch hier voll angekommen. Es war so viel los mit den Diensten im Spital, Unterricht in der Schule von Montag bis Freitag und Feiern und Pfadfinder-Aktivitäten am Wochenende. Aber genauso liebe ich mein Leben, ich fühle mich frei und lebendig, voll ausgelastet und schöpfe auch viel Energie daraus, von so lieben Menschen umgeben zu sein.

Das erste Pfadi Lager war etwas Besonderes für mich, ich habe mich zurückversetzt gefühlt in alte Jungscharlagerzeiten. Am Lagerfeuer singen, draußen schlafen, spartanische Küche und einfach eine gute Zeit haben. Zuerst hatte wir eine Übernachtung nur von unserer Gruppe, am Wochenende drauf war der „Emaus-Weg“ mit Pfadfindern nicht nur von der katholischen, sondern auch von anderen (Frei)kirchen. Es war wirklich interessant, sich auch mit den anderen auszutauschen oder mitzubekommen, wie sie Spiritualität und Glaube leben und feiern. Wir haben eine Fackelwanderung in der Nacht gemacht und sind am nächsten Morgen, ganz unter dem Motto „Jeden Tag eine gute Tat“ um die Häuser gezogen und haben mitgeholfen und angepackt, was sich halt gerade so ergeben hat. Da sich das Leben hier ja immer draußen und vor der Tür abspielt, hat es nicht lange gedauert bis wir auch mit dem Waschbrett die Wäsche gewaschen, Fisch zubereitet oder beim Haare flechten geholfen haben. Meine glatten, langen Haare sorgen immer wieder für Aufsehen und die Kinder lieben es, Zöpfchen zu flechten oder es zumindest zu versuchen. Wenn sich dann innerhalb von Minuten alles wieder auflöst sind sie frustriert und sagen dann „so cool sind deine Haare doch nicht“.

Wieder ein anderes Wochenende haben alle Jugendgruppen, egal ob Chor oder Pfadis oder was auch immer, gemeinsam im Garten vom Pfarrer gezeltet. Auch das war supernett, besonders von den Tanz und Gesangseinlagen am Abend war ich sehr begeistert. Ich kann ja nicht abstreiten, dass in meinem Körper europäisches Blut fließt und mir das Rhythmusgefühl und die geschmeidigen Bewegungen nicht in die Wiege gelegt wurden. Kuduro, eine der Freestyle-Tanzarten aus Angola, werde ich wohl nie hinkriegen. Aber ich versuche mich an Semba und Kizomba. Das ist ein Paartanz, da kommt mir mein Vorwissen als Wienerin mit dem Standardtanz ein bisschen zu gute. Mit der Freundesgruppe, die ich über die Zeit gefunden habe, übe ich also fleißig um dann irgendwann mal bei einer Feier herzeigen zu können, was ich heimlich geübt hab! Im Gegenzug dazu möchte der Sebastião Walzer lernen. Also krame ich da mein altes Wissen wieder aus, sonst kommen mir auch Youtube Tutorials zur Hilfe, und am Strand beim Sonnenuntergang Walzer zu tanzen hat schon auch was!
Was ich an der Freundesgruppe, die ich jetzt gefunden habe, so schätze, ist, dass sie alles teilen. Nicht nur den Humor und die Snacks sondern sie teilen auch das Wissen, das ein jeder hat. „Hey, du kannst Kizomba tanzen? Ich wills lernen!“ oder „Komm ich helf dir beim Englisch lernen.“ So kams auch dazu, dass ich mit dem Vidal jetzt nähen übe. Er hat eine Schneider-Ausbildung gemacht und zeigt immer mal wieder auch dem Freitas oder Alexandrinho wie sie Hosen umnähen können und so was. Ich hoffe, im nächsten Rundbrief kann ich dann schon voller Stolz mein Kleid präsentieren, aber ich will mal nicht zu viel versprechen😂

Eine ganz besondere Freundschaft hat sich auch aus meiner Arbeit entwickelt. Am 26. April ist die kleine Felicia auf die Welt gekommen. Es war wahrlich keine leichte Geburt, sowohl ihrer Mama, der Ana Bela, als auch uns, beziehungsweise mir als betreuende Hebamme hat sie viel abverlangt und lange auf sich warten lassen. Die intensive Betreuung über viele Stunden hinweg hat mich mit der Ana Bela verbunden. Am Schluss ist dann alles ganz schnell gegangen, plötzlich hatte es die Felicia eilig und ist statt im Kreißsaal einfach im Stationsbett auf die Welt gekommen. Nicht nur ihrer Mama sind Freudentränen und Tränen der Erleichterung über die Wangen gekullert, als sie sie endlich im Arm halten konnte. Als ich die zwei dann am nächsten Tag im Spital besucht habe durfte ich eine ganz besondere Art der Wertschätzung erfahren. Willst du die Madrinha (Patentante) von der Felicia sein? Da musste ich natürlich nicht lange überlegen. Seitdem sind wir viel in Kontakt, ich bin oft bei ihnen zu Hause und obwohl die Ana Bela wirklich unter einfachsten Bedingungen lebt, werde ich immer gut bekocht und fühle mich schon wie daheim bei den zweien. „Du kannst nicht wieder nach Österreich fahren, ohne zu wissen wie man Funge und Kisaca mit Bohnen (das Nationalgericht quasi) zubereitet!“ Also bin ich letzte Woche ganz schön ins Schwitzen gekommen, denn den Brei aus Mandiokamehl zu schlagen ist richtig harte Arbeit! Ebenso das Mörsern der Mandiokablätter, die dann eine Konsistenz wie Spinat bekommen. Manchmal komme ich mir richtig blöd vor, wenn ich so alltägliche Dinge wie Wäsche mit der Hand zu waschen, den Fisch zu entschuppen und zubereiten oder Kohlen anzünden fürs Kochen am offenen Feuer erst lernen muss. Aber die Ana Bela hat eine so offenherzige und unvoreingenommene Art mir die Dinge mit aller Geduld beizubringen, dass ich mich nicht ganz so dämlich fühle. „Nicht schlecht, aber es ist noch Luft nach oben“ war dann das Fazit, als wir gemeinsam unser Gericht gegessen haben.

Das Schuljahr neigt sich auch dem Ende zu, in zwei Wochen sind schon die Abschlussprüfungen und dann sind erstmal Ferien angesagt. Ich war ja sehr überzeugt von meinem Masterplan, dass die Schüler*innen mithilfe von Songtexten und kreativer Unterrichtsgestaltung Englisch lernen werden. Der Zwischentest hat mich dann aber auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und ich musste mir eingestehen, dass ich nicht die Welt verändern werde und dass Schüler*innen die nichts lernen wollen wohl nie etwas lernen werden. Ich hätte gedacht, dass bei dem einfachen Test wirklich alle eine positive Note bekommen werden, aber Pustekuchen. Jetzt habe ich meine Strategie geändert und denke mir „na wenigstens ich will im Unterricht was lernen“. Also fahre ich jetzt folgenden Plan: Die Schüler*innen bringen mir Phrasen auf Kikongo bei, die übersetzen wir dann auch auf Englisch. Am Ende machen wir eine Challenge wer sich besser verständigen kann- ich auf Kikongo oder sie auf Englisch. Im nächsten Rundbrief kann ich ja dann berichten, wie dieses Battle ausgegangen ist.
Abschließen möchte ich diesen Rundbrief mit meinem Full-Circle Moment, wie man auf Englisch so schön sagt. Die erste Messe, bei der ich in Angola dabei sein durfte, war die Priesterweihe vom Padre Mulesapi und Celestino. Damals war alles neu für mich, ich habe die Sprache noch nicht gut verstanden, war überwältigt vom Gesang und Tanz in der Messe. Als der Padre Celestino dann nach N’Zeto versetzt wurde, war ich dabei, wie er zum ersten Mal Ostern und dann auch Pfingsten als Priester zelebriert hat. Unerwarteterweise war das jetzt zu Pfingsten auch der letzten Gottesdienst, den wir mit ihm gefeiert haben, weil er wieder zurück nach Luanda muss. Aber das worauf ich eigentlich hinaus will, ist, dass bei der Priesterweihe damals genau die gleichen Lieder gesungen wurden wie jetzt auch zu Pfingsten. Nur habe ich diesmal selbst im Chor der Mädls vom Internat mitgesungen und mitgetanzt. Das was damals noch fremd und neu für mich war, da war ich jetzt selbst ein Teil davon. Ich bin wirklich alles andere als eine gute Sängerin und durch die Dienste im Spital konnte ich nicht einmal bei allen Proben dabei sein. Aber allein, dass ich mich da dazustellen durfte und dieses Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit gefühlt habe, hat mich sehr glücklich gemacht! Die gängigsten Worte im Kirchen Kikongo hab ich jetzt schon drauf, sprich so ungefähr versteh ich auch, was ich da vor mich hinträller.

In diesem Sinne, Lutomasala, Chao chao und liebe Grüße aus N’Zeto,
Eure Lizette
Der neue Spitzname wurde mir bei den Pfadis verpasst. Ich wusste gar nicht, was man aus meinem Namen noch alles rausholen kann🤣
