Ein letztes Mal olá, bom dia aus Angola!

Was soll ich sagen, ich bin schon am Ende meines Aufenthalts angekommen und ihr haltet hier den letzten Rundbrief aus Angola in den Händen. Erst mal vielen Dank für eure Treue, die zahlreichen Rückmeldungen, die mir Mut zugesprochen haben und mir immer wieder versichert haben, dass meine Arbeit Sinn macht und meine Erzählungen auch etwas in euch auslösen. Einen klitzekleinen Teil von dem, was ich erleben darf, teilen zu können, macht mich immer wieder sehr glücklich und so kommen Geschichten aus dem kleinen Dorf N’Zeto bis nach Europa!

Obwohl ich keine Freundin von Mathematik oder Zahlen bin, starte ich doch mit einer kleinen Statistik. Bis zu meinem Abflug war ich 330 Tage in Angola. In N’Zeto knapp 8 Monate und in dieser Zeit durfte ich 8 Kaiserschnitte und 94 Geburten begleiten. Ich habe immer gesagt, dass ich unbedingt die 100 knacken will, davor verlasse ich N’Zeto nicht. Jetzt bin ich aber schon wieder in Luanda, die letzte Woche verbringe ich noch hier, also musste ich es irgendwie für mich zurecht drehen: Die Branquinha, unser Hund, hat vor zwei Wochen geboren. Auch bei ihrer Geburt der zehn kleinen Welpen war ich anwesend, zählen wir also diese Babys dazu, dann habe ich die 100 erreicht! Ich kann also getrost nach Österreich zurückfliegen!

Natürlich sind das nur Zahlen, das sagt nichts über meine eigentliche Erfahrung aus. Aber jede einzelne dieser Geburten haben mich stärker gemacht, mir Geduld und Vertrauen gelehrt und mich herausgefordert. Mit jedem neuen Dienst im Spital gab es neue Hürden zu überwinden, aber auch neue Begegnungen und neue Erfahrungen. Es gibt Geburten, die sich mehr ins Gedächtnis eingebrannt haben als andere. Besonders schön war eine Geburt, zu der ich extra gerufen wurde. Der Professor Matomona ist ein Kollege aus der Schule und er hat mir immer von seiner Tochter erzählt, die schwanger ist. „Wenns soweit ist und das Baby kommt, dann ruf ich dich an. Ich hätte gerne, dass du bei der Geburt dabei bist, ich vertraue dir!“ Gesagt, getan, eines Abends erhalte ich den Anruf und bin ins Spital gedüst. Ich kannte bis dahin die Danuta, die übrigens Xará der Schwester Danuta (Namensgeberin) aus Polen ist, die mittlerweile wieder in ihre Heimat zurückgekehrt ist, nur flüchtig. Ihre Mutter ist die Silly, Xará der Schwester Sylvestra, mit der ich die ersten Monate in Luanda zusammengelebt habe. Seit Generationen gibt es also eine Verbindung zu den Schwestern und dass ich jetzt bei der Geburt dieses Babys dabei sein durfte, war etwas Besonderes. Wie das eben meist so ist, beim ersten Kind haben sich die Wehen gezogen und es war für alle sehr nervenaufreibend und anstrengend. Umso schöner dann die Erleichterung, als die kleine Prinzessin endlich in Mamas Armen gelegen ist. Dass die Geburt so gut gegangen ist, ist keine Selbstverständlichkeit, denn schon in der Schwangerschaft gab es einige Komplikationen. „Danke, dass du für mich da warst, Elisabeth!“ Das Schönste für mich ist, dass diese Verbundenheit uns keiner mehr nehmen kann! Eine Woche später wurde ich zu ihnen nach Hause eingeladen. Zur Feier der Geburt wurde eine Ziege geschlachtet und ein Festessen zubereitet. Ich habe mich geehrt gefühlt, dass ich bei diesem besonderen Moment dabei sein durfte.

Wenn wir schon übers Ziegen schlachten sprechen, dann muss ich euch auch von den Tagen in den Kommunen erzählen! N’Zeto ist nicht nur unser Dorf, sondern der ganze Bezirk, zu dem noch einige Kommunen und abgelegene Dörfer zählen, die wirklich einige Autostunden entfernt sind. Ende August ist unser Pfarrer nach Kindege gereist, da dort in drei Dörfern Taufen gefeiert wurden. Mein Wunsch wurde wahr und ich durfte ihn begleiten! Mit dem Geländewagen sind wir also über die von Schlaglöchern gepflasterte Straße gerumpelt und kamen am Abend im ersten Dorf an. Kein Netz, kein Strom aber was viel wichtiger ist: ganz liebe Menschen haben uns in Empfang genommen! Wir wurden bekocht mit Zutaten, die direkt vom Feld stammen. Ich als Weiße habe mich im ersten Moment wie ein Alien und ein bisschen fehl am Platz gefühlt. Dieses Gefühl ist aber im Nu verschwunden, als ich aus dem Nichts jemanden meinen Namen hören rufe. „Wer bitte kennt mich denn hier?!“ Zwei Schüler aus dem Liceo, die ich in Englisch unterrichtet habe, haben ihre Familien in den Ferien besucht. Dass ich ihre Heimat kennenlerne, hat sie unglaublich gefreut und sie haben gleich getestet, ob ich denn noch ein bisschen Kikongo spreche, dass sie mir ja im Unterricht beigebracht haben. Wenn ich das wo brauchen konnte, dann definitiv in Kindege, wo sogar die Kleinsten sich besser in der Nationalsprache als auf Portugiesisch ausdrücken können! Am Abend am Lagerfeuer zu sitzen, über uns der Sternenhimmel und eine fast unheimliche Stille, die ich so nicht gewohnt bin: So schön das auch klingt, ich möchte das Leben im Dorf nicht romantisieren. Es ist unglaublich hart, besonders für Jugendliche ist es schwierig, sich zurechtzufinden und dem Alkohol und den Drogen aus dem Weg zu gehen. Bis auf Feldarbeit gibt es wenige Möglichkeiten, weswegen wer kann nach N’Zeto kommt, um die Schule abzuschließen und eine Arbeit zu suchen. Und ich dachte schon, N’Zeto ist ein Kaff! Aber als wir nach den wenigen Tagen zurückgekommen sind aus Kindege konnte ich plötzlich mit anderen Augen sehen, was wir alles haben. Asphaltierte Straßen, Beleuchtung in der Nacht, zumindest auf der Hauptstraße. Kleine Geschäfte, wo man eigentlich eh alles findet, was man so im Alltag braucht, eine Volksschule und ein Gymnasium und Zugang zu medizinischer Versorgung. Was für einen Unterschied so ein Ortswechsel machen kann!

In dem Dorf Mbaka wurde ein weiterer Wunsch von mir erhört! Endlich konnte ich Schlangenfleisch probieren! Zufällig habe ich genau an dem Tag noch zu einem Jugendlichen aus der Pfarre, der ebenfalls mitgekommen ist, gemeint, dass ich irgendwann gerne Schlange probieren möchte, weil alle immer so davon schwärmen. Und tatsächlich kurze Zeit später kam ein Bub angelaufen, während wir gerade das Festessen nach der Taufe genossen haben und hat uns ganz stolz die Schlange gezeigt, die er erlegt hat. Ohne viel Herumzufackeln (Wortspiel) wurde das Tier auf den Grill gelegt. Es schmeckt eigentlich wie Fisch und war ziemlich lecker!

Ich glaube, diese Geschichten werden sogar noch meine Enkel zu hören bekommen…

Meinen Geburtstag noch in Angola feiern zu können, war auch noch etwas Besonderes! Am Vorabend haben wir gemeinsam groß aufgekocht und es gab ein buntes Buffet an angolanischen Speisen. Nur der Kuchen hat einen österreichischen Touch gehabt, dank der geriebenen Walnüsse, die mir die Mami mitgebracht hat. Am 26. August stand ich dann aber nicht im Mittelpunkt, sondern viel schöner: das Brautpaar, das seine Hochzeit groß gefeiert hat. Zuerst die Trauung in der Kirche und anschließend die Party mit noch mehr gutem Essen, Musik und Tanz. Was soll ich sagen, nicht schlecht, den Geburtstag mal so zu verbringen!

Dann hieß es auch schon langsam von allen Abschied nehmen. Im Spital, von den Freunden, meinem Patenkind Felicia und der Ana Bela (siehe Foto) und den Pfadfindern. Gemeinsam haben wir noch einen Ausflug zum Strand gemacht, dort gepicknickt und die gemeinsame Zeit genossen. Dass so viele gekommen sind, nur um sich von mir zu verabschieden, hat mich sehr happy gemacht! Auch wenn ich das am Anfang nie für möglich gehalten hätte, aber diese Gruppe war so wichtig für mich in dieser Zeit und ich habe die Jugendlichen so tief ins Herz geschlossen. Sie haben mir beigebracht, wie man jemanden in die Gemeinschaft aufnimmt, wie man Zusammenhalt lebt und wie selbstverständlich man alles teilt. „Poucado poucado chega para todos“. Ein bisschen reicht für alle.

Auch bei der Blutspendeaktion der Pfadfinder, die wir vor ein paar Wochen hatten, war ich überrascht von der Bereitschaft. Denn HIV ist ein großes Thema, viele Menschen fürchten sich, den Test zu machen und gerade so eine Aktion kann dafür sorgen, dass plötzlich im ganzen Dorf bekannt wird, wer positiv ist. Aber das Spital hat das gut gelöst, in dem allen Blut abgenommen wurde und es erst anschließend allen Tests durchlaufen ist. Während meiner Dienste auf der Geburtenstation kam es immer wieder zu Notfällen und nicht immer hatten wir genug Blutreserven für eine Transfusion!

Nach der Abschiedsmesse am Sonntag, wo wir im Anschluss auch den Geburtstag der Schwester Mitilene gefeiert haben, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich jetzt gehen kann. Dass ich Frieden gefunden habe, mich auch innerlich bereit fühle zu gehen und trotzdem weiß, dass ich immer mit diesen wundervollen Menschen verbunden bleiben werde.

Dass ich als so glückliche, immer lachende und positive Person wahrgenommen wurde, lag zu einem großen Teil eben daran, dass ich immer mit einem strahlenden Lächeln aufgenommen wurde, da kann man gar nicht anders, als sich genauso zu verhalten! Wie schon einmal erwähnt, hat N’Zeto das Beste aus mit herausgeholt, ich hatte das Gefühl, hier die beste Version meiner selbst sein zu können. Genau kann ich gar nicht beschreiben, warum.

Auch dieser Brief ist mal wieder lang geworden. Mittlerweile bin ich wieder in Luanda, wo ich noch die letzten Tage bis zu meinem Abflug verbringen werde. Hier komme ich ein bisschen zur Ruhe und genieße die Zeit mit den Schwestern, die ja auch in den ersten Monaten für mich mein Zuhause und meine Familie waren und es immer noch sind. Aus Angola nehme ich nicht nur einen Koffer mit Andenken, sondern auch eine Liste an neuer Lieblingsmusik, Kochrezepten und Fähigkeiten mit, die ich hier lernen durfte. Ich kann nichts zurückgeben, was mir in dieser Zeit geschenkt wurde. Aber die Liebe, die mir gegeben wurde, kann ich weitergeben, in meinem Umfeld, aber auch in meiner Arbeit und ich weiß, dass mich diese Monate noch mein ganzes Leben prägen und begleiten werden.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge sage ich „Adeus Angola“, oder besser gesagt „até logo“, bis bald, und dann heißt es schon in wenigen Tagen: Hallo Wien! Ich freue mich schon wieder auf daheim, auf euch!

Eine ganz dicke Umarmung aus der Hauptstadt Angolas, eure Elisabeth, Elisabéthi, Lizzie, Lizette, Betti, Elisa, Schindigginha oder einfach nur Eli