Dem Leben Sinn geben – SSpS in der Ukraine
Mit dem Ausbruch des Krieges am 24. Februar 2022 hat sich unser Leben in der Ukraine stark verändert. Im ersten Jahr hat sich auch unser Dienst stark verändert. Besonders betroffen sind unsere jungen Mitschwestern, die das Leid in den eigenen Familien sehr bewegt. Wir kennen viele, die fluchtartig ihr Zuhause verlassen mussten, junge Burschen, die an die Front geschickt wurden. Aufgrund der enormen Not und der humanitären Hilfe, die von SSpS und anderen Wohltätern kam, waren wir alle sehr aktiv an einer Vielzahl von Unterstützungsdiensten für die Menschen beteiligt, die vom Krieg betroffen waren und unter ihm litten. Unsere Arbeit kam sowohl Einzelpersonen als auch Krankenhäusern, Schulen und Soldaten zugute. Bei mehreren Gelegenheiten ergab sich die Gelegenheit, humanitäre Hilfe in die Frontgebiete zu bringen. Dank der Großzügigkeit vieler Menschen spendeten wir Medikamente, medizinische Hilfsgüter, Stromgeneratoren und Lebensmittel für Menschen in Not. Wir schickten Tausende von Paketen mit dringend benötigten Gütern an die Menschen in verschiedenen Teilen der Ukraine, insbesondere in den östlichen Gebieten.
Wir sind Gott dem Herrn sehr dankbar, dass er uns erlaubt, die tägliche materielle Hilfe für die Menschen mit geistlicher Hilfe zu verbinden. Das gibt dem Leben einen Sinn. Da wir Gutes vom Herrn und von den Menschen erhalten haben, möchten wir so viel wie möglich mit anderen teilen, damit die Menschen in der Ukraine inmitten der Sorgen und Belastungen des Krieges in dem Glauben leben können, dass ihr Leben in den Händen eines liebenden Gottes, Vaters und einer Mutter liegt. Viele Menschen in der Ukraine lernen Gott erst im Erwachsenenalter kennen, weil sie vorher niemanden getroffen haben, der ihnen den Glauben weitergegeben hat.
Die meisten Mitglieder der orthodoxen Kirche, vor allem in den zentralen und östlichen Teilen der Ukraine, gehen normalerweise nicht in die Kirche. Wenn sie doch hingehen, dann in der Regel nur zu Ostern, um die sogenannte „Paska zu weihen“. Die Realität der Menschen, die ohne Glaubensbildung aufgewachsen sind, wurde besonders nach dem Ausbruch des Krieges im Jahr 2022 deutlich, als die Menschen aus dem Osten der Ukraine in die Westukraine und in andere Länder auswanderten. Auch in unserem Kloster im Dorf Verbovets in der Region Vinnytsia nahmen wir Menschen auf, die aus den vom Krieg betroffenen Regionen flohen. Einige blieben nur für kurze Zeit, andere lebten ein ganzes Jahr. Alle diese Menschen waren als Kinder in der orthodoxen Kirche getauft worden, hatten aber nicht die Gewohnheit, am sonntäglichen Gottesdienst teilzunehmen. Während sie in unserem Kloster und in den Gebäuden neben der Kirche lebten, wurden freundschaftliche Beziehungen zwischen uns geknüpft, sie waren sehr interessiert und viele von ihnen kamen sogar jeden Tag zur Messe. Wir organisierten eine Vielzahl von Aktivitäten für die Kinder und hatten Programme für Erwachsene, die die heiligen Sakramente empfangen wollten. Mehrere Erwachsene gingen zum ersten Mal zur Beichte und zur Heiligen Kommunion. Viele Ukrainer haben während des Krieges Gott kennengelernt und sind ihm nähergekommen. Der Glaube schenkt ihnen Trost, Halt und Hoffnung. Er hilft, nicht zu verzweifeln und an das Leben zu glauben. Für uns Missionarinnen in der Ukraine ist es eine grundlegende Aufgabe, nicht nur soziale Hilfe zu leisten, sondern die Menschen auch zu Gott zu führen, den wir selbst als barmherzig und treu erfahren haben und der auch unsere Not und unsere Zweifel kennt.
Sr. Svitlana hat vor kurzem ein Krankenhaus besucht. Sie schreibt: „Ich besuche auch verwundete Soldaten. Einige sind unsere Freunde oder die Freunde unserer Freunde. Es ist eine sehr starke und wichtige Erfahrung für mich. Ein Arzt fragte mich, ob es möglich wäre, mit speziellen Nadeln für die Lokalanästhesie zu helfen, da sie sie nicht mehr haben. Leider sind die Krankenhäuser voll von jungen Männern und einigen Frauen, die physisch sehr traumatisiert sind.“
Die meisten Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, sind inzwischen in ihre Häuser zurückgekehrt, obwohl es immer noch sehr gefährlich ist. Sie wollen ihr Zuhause nicht verlassen, auch wenn es noch so hart ist, dort zu leben. Tatsächlich gibt es keinen Ort in der Ukraine, der sicher ist, denn man weiß nie, wo eine Rakete oder Drohne einschlagen oder abgeschossen werden wird. Aber die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist sehr groß. Wir leben und danken Gott dem Herrn für jeden Tag, den er uns schenkt, und versuchen, ihn so gut wie möglich zu leben, da wir wissen, dass es der letzte Tag unseres Lebens hier sein könnte. Das gibt Kraft, weiterzugehen.
Unser Dienst in der Ukraine besteht hauptsächlich in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen, der Organisation und Leitung von Exerzitien, psychologischer Hilfe und individueller Beratung für Menschen. Durch die Produktion von Radiosendungen auf Radio Maria erreichen wir viele Menschen mit Informationen und Ermutigungen. Gegenwärtig sind fast alle Schwestern während des Sommers an der Organisation von Sommerlagern für Kinder und Jugendliche beteiligt, oder „Ferien mit Gott“, wie wir sie nennen. Die Kinder nehmen sehr gerne an diesen Aktivitäten teil, die es ihnen ermöglichen, sich zumindest für eine Weile von den schwierigen Erfahrungen des Krieges zu erholen. Sie erleben Gemeinschaft und ein Stück Unbeschwertheit. Sie freuen sich, gemeinsam zu spielen, zu beten und etwas Neues zu lernen. Wenn der Krieg vorbei ist, werden sie es sein, die die Ukraine wieder aufbauen, nicht nur materiell, sondern vor allem geistig, moralisch und psychologisch.
Wir beten voller Hoffnung, dass bald eine Zeit des Friedens kommt, nicht nur in der Ukraine, im Heiligen Land oder in anderen Regionen der Welt, sondern auch in den Herzen der Menschen.
Sr. Maria Marta SSpS