„Leben und Leiden für die Frohe Botschaft“

„Wenn ich einmal groß bin,
gehe ich ganz weit fort“

Mutter Theresia Messner, SSpS, 1903 ‑ 1922
Erste Generaloberin

„Wenn ich einmal groß bin, gehe ich ganz weit fort“, sagt das vierjährige Gretele zu ihren Eltern. Wie das Südtiroler Mädchen in dem abgeschiedenen Antholzertal auf solche Ideen kommt, weiß niemand. Doch dieser erste Funke zieht sich als Leuchtspur durch ihr ganzes Leben.

Margareta wird 1868 als zweites Kind der Familie Messner geboren. Ihre Eltern waren Kleingrundbesitzer in Antholz. Der Vater muss zeitweise als Knecht bei anderen Bauern arbeiten, weil die eigene kleine Wirtschaft für den Unterhalt der Familie nicht ausreicht.

Als Margareta acht Jahre alt ist, stirbt der Vater. Das erschwert der Familie noch mehr die damaligen harten Lebensverhältnisse. Als 14-Jährige muss sie zum Familienverdienst beitragen und arbeitet drei Jahre bei einem Großbauern im Dorf. Danach hilft sie ihrer Mutter auf dem elterlichen Hof.

Trotz aller harten Arbeit bleibt sie offen für andere, für Arme und Kranke. Überall hilft sie, soweit ihre Kräfte und Mittel reichen. Aber ihr Blick reicht noch weiter: Sie will ihr weiteres Leben in den Dienst der Weltmission stellen. Ihrer Schwester Gertrud erklärt sie ausdrücklich: „Der Herr selber zieht mich zum Missionsberufe hin.“ Und so sucht sie nach einem Orden, wo sie ihre zwei Ideale vereinen kann: ein missionarisches Ziel und zugleich der Einsatz für die Randgruppen in der Gesellschaft.

Erste Reise in die Ferne

Dekan Andreas Wibmer von Bruneck verweist die Suchende auf Arnold Janssen, der 1889 in dem niederländischen Dörfchen Steyl an der Maas einen Missionsorden für Frauen gegründet hat: die Dienerinnen des Heiligen Geistes (Servae Spiritu Sancte – SSpS).

Mit 22 macht sie sich auf den Weg aus dem engen Heimattal in die Weite der Niederlande und trifft im Jänner 1891 in Steyl ein. Dort bereiten sich die ersten Frauen auf das Ordensleben und auf den Missionsberuf vor, darunter die Mitgründerinnen Sr. Maria, Helena Stollenwerk und Sr. Josefa, Hendrina Stenmanns. So trägt auch Margareta die Anfangsschwierigkeiten der neu gegründeten Ordensgemeinschaft mit. Ein Jahr später erhält sie mit noch 15 Frauen das hellblaue Ordenskleid und den Namen Sr. Theresia. Arnold Janssen selbst begleitet soweit wie möglich diese erste Noviziatsgruppe.

Die ersten Jahre sind für die junge Tirolerin nicht leicht. Alles ist fremd – Haus und Umgebung, Sitten und Speisen, Sprache und Tagesordnung. Mit einfacher Schulbildung und an schwere Bauernarbeit gewöhnt, fühlt sie sich oft minderwertig gegenüber den oft wesentlich älteren und bereits ausgebildeten Gefährtinnen, ist oft hilflos und ungeschickt. Während andere für die Mission ausgewählt werden, besonders die damals gesuchten Handarbeitslehrerinnen, scheint Sr. Theresia zu nichts anderem zu taugen als zum Socken stopfen. Sie gibt die Hoffnung auf, jemals in die Mission zu kommen, ja zweifelt an ihrer Berufung. Aber von diesen stillen inneren Kämpfen und heimlichen Tränen merkt ihre Umgebung nichts – Sr. Theresia wird als glücklich, eifrig und einsatzbereit beschrieben.

Eine andere Berufung

Die junge Schwesterngemeinschaft wächst sehr schnell. 1894 legt Sr. Theresia ihre ersten Gelübde ab, und bald darauf wird sie von Arnold Janssen zur ersten offiziellen Novizenmeisterin ernannt. Damit ist ihr die sehr wichtige Heranbildung der neu eintretenden Frauen anvertraut. Zugleich muss sie zusehen, wie Mitschwestern auf den direkten Missionseinsatz vorbereitet werden, ohne selbst dabei zu sein. Nur für ihren Jugendtraum, einmal in China zu wirken, ist sie bereit gewesen, ihre geliebte Heimat zu verlassen und jede Schwierigkeit auf sich zu nehmen. Im Gebet ringt sie mit Gott – sein Wille blieb auch in diesem Leid ihre Leitlinie.

Im Sommer 1903, nach dem Tod von Mitgründerin Sr. Josefa; wählen die Schwestern Sr. Theresia als neue Oberin. Arnold Janssen ernennt sie auch zur ersten Generaloberin der Kongregation, die mittlerweile 228 Mitglieder zählt. Sr. Theresia ist genau 35 Jahre alt. Damit übernimmt sie nicht nur die Obsorge für die Schwestern in der Heimat, sondern auch für die Missionarinnen, die bereits in fünf Ländern tätig sind: Argentinien, Togo, Neuguinea, USA und Brasilien. 1905 können die ersten Dienerinnen des Heiligen Geistes endlich das Sehnsuchtsland von Mitgründerin Sr. Maria betreten: China. Sr. Maria ist da allerdings bereits fünf Jahre tot.

Sr. Theresia wird die Ordensgemeinschaft insgesamt 19 Jahre leiten, und in dieser Zeit werden in Europa und Übersee über 100 neue Niederlassungen eröffnet. Sr. Theresia begleitet die Mitschwestern in Heimat und Mission vor allem brieflich. Aber sie besucht sie auch, wo immer es notwendig ist. Mit ihrem offenen und weltweiten Blick erkennt sie sofort, wo Hilfe dringend ist. In ihre Amtszeit fallen auch die große Not des Ersten Weltkriegs in Europa und die gravierenden politischen Veränderungen danach. Schwestern übernehmen die Pflege der Kranken und Verwundeten in vielen Lazaretten. Zugleich gehen die blühenden Missionen in Togo und Mosambik verloren. Sobald die Ausreise wieder möglich ist und die Schwestern die Lazarette verlassen können, werden wieder Missionarinnen nach Übersee entsandt. Es gilt, dem ursprünglichen Charisma treu zu bleiben.

Kreuzesnachfolge

Ordensleben und Mission bedeuten immer auch Nachfolge Jesu mit dem eigenen Lebenskreuz. Sr. Theresia lernt dies in einer fast unvorstellbaren Schule: Neben der scheinbaren Unfähigkeit für den Missionseinsatz leidet Sr. Theresia von Anfang an unter verschiedenen Krankheiten, verursacht durch eine Erkältung auf der Reise nach Steyl: Kniebeschwerden, Magenkatarrh, Lungenkatarrh, Drüsenerkrankung, Fußgelenkstuberkulose. Als die Schwesterngemeinschaft im Herbst 1904 vom provisorischen Augustinnerinnen-Kloster in das neue Herz-Jesu-Kloster umzieht, kann Sr. Theresia nur vom Rollstuhl aus den Umzug organisieren. Im Jahr zuvor hat sie die bereits schwer kranke Sr. Josefa betreut. 1903 wird die Gemeinschaft von einer schweren Pockenepidemie heimgesucht, 1904/05 von einer Grippeepidemie. Sr. Theresia selbst bekommt wegen ihres Lungenkatarrhs vom Generaldirektor und den Ratsschwestern Stubenarrest: sie muss mittags eine Stunde ruhen und darf abends nur bis 22.15 arbeiten. Im Jahr darauf muss ihr ein großer Teil der Ferse entfernt werden. Bald darauf erleidet sie einen Sturz vom Pferdewagen.

Im Mai 1906 wird der linke Fuß amputiert. Später muss der Beinstumpf noch mehrmals verkürzt werden. Sr. Theresia trägt eine mehrere Kilo schwere Prothese aus Holz und Leder. Dazu kommen  Magenbeschwerden und eine Unterleibsoperation.

In der Kraft des Kreuzes

Die junge Kongregation breitet sich aus: Neben Holland, Deutschland, Österreich auch nach Japan (1908) und auf die Philippinen (1912). April 1913 reist Sr. Theresia trotz ihrer Behinderung und schlechter Gesundheit zur vorgeschriebenen Visitation der neuen Missionen im Fernen Osten. Die gut fünfwöchige Seereise gewährt etwas Erholung. In Japan stehen Besuche auf mehreren Inseln und Sondierungen für neue Institute auf dem Programm. Dann geht es weiter nach China. Die weit auseinander liegenden Stationen erfordern tagelange beschwerliche Reisen in Viehwaggons, Ochsenkarren, Rikschas oder Sänften auf halsbrecherischen Wegen, in schwüler Sommerhitze, durch militärische Zonen.

Als Sr. Theresia Ende Oktober von Hongkong ins „Reich der 7000 Inseln“ überfährt, ist sie sehr geschwächt, und Symptome einer ernsten Erkrankung werden sichtbar. So muss sie sich in der philippinischen Hauptstadt Manila zuallererst eine bösartige Geschwulst in der Brust operieren lassen. Sie erholt sich überraschend gut, und schon ein paar Wochen später geht es mit Dampfer und Bambusflößen zu den Stationen im Norden der Insel Abra. In Tayum feiert sie mit den Schwestern das Weihnachtsfest ganz im Steyler Stil mit der Krippenprozession. Einen Monat später ist die Generaloberin schon wieder auf hoher See zum letzten Ziel dieser Reise: Neuguinea, das damalige Kaiser-Wilhelms-Land. Dort sind die Schwestern schon 15 Jahre tätig, und dementsprechend viele Stationen gilt es zu besuchen. Nach sechswöchiger Schiffsreise landet sie am 25. Juni 1914 in Genua.

Von Italien fährt Sr. Theresia zur noch sehr jungen Station Stockerau bei Wien und macht einen Abstecher in ihre Heimat, um noch einmal die alte Mutter zu sehen. Am 25. Juni trifft sie in Wien ein. Drei Tage später wird der österreichische Thronfolger erschossen, der Erste Weltkrieg bricht aus. Am 8. Dezember 1914 feiert die Kongregation ihr Silberjubiläum in Stille.

In Holland, Deutschland und in der Donaumonarchie werden nun Schwestern für die Pflege der verwundeten Soldaten angefordert. Etliche Klöster werden zu Kriegslazaretten oder Seuchenspitälern umfunktioniert.. Die Steyler Schwestern, bisher hauptsächlich auf Unterricht und Erziehung ausgerichtet, etablieren sich in der Krankenpflege. Immer wieder fallen auch Schwestern selbst den Krankheiten zum Opfer. Sr. Theresia leidet mit den Schwestern, hält brieflichen Kontakt und besucht sie soweit wie möglich, obwohl das Reisen immer schwieriger und gefährlicher wird. 1916 muss sich Sr. Theresia wieder einer lebensbedrohenden Operation unterziehen. Kaum genesen, setzt sie ihre Tätigkeiten mit ungebrochener Energie und dem ihr eigenen Gottvertrauen fort. Das zeigt sich nicht zuletzt an den insgesamt 49 neuen Stationen, die in den vier Kriegsjahren gegründet werden, davon die Hälfte in Übersee. Mit Indonesien betreten die Steyler Missionarinnen auch wieder missionarsches Neuland. Holland, Deutschland und Österreich werden zu eigenständigen Provinzen erhoben. Nach Kriegsende werden die meisten Stationen wieder abgegeben, doch aus einigen entwickeln sich eigene Krankenhäuser, wie etwa das St. Josefs-Krankenhaus in Haan (D) oder das Orthopädische Spital in Wien-Speising.

1920 tritt Sr. Theresia eine 16 Monate dauernde Visitationsreise nach Südamerika an. Danach beginnen die Vorbereitungen auf das zweite Generalkapitel, das 1922 stattfindet. Von den 33 versammelten Schwestern kommen bereits 14 aus überseeischen Provinzen. Neue Generaloberin wird Sr. Columba Caspers (D). Ein weiteres entscheidendes Ergebnis ist die endgültige Selbständigkeit der Kongregation, die bis dahin noch unter der Generaldirektion der Steyler Missionare (SVD) stand. Sr. Theresia bleibt aber Generalrätin und zuständig für die Ordensjugend. So wird ihre reiche Erfahrung und missionarische Liebe, ihre Glaubenstiefe und spirituelle Kraft auf neue Weise fruchtbar.

Beim Generalkapitel 1934 scheidet Sr. Theresia aus allen Ämtern aus. Gesundheitlich wird sie immer schwächer, wird fast blind. Am 4. Dezember 1940 darf sie ihr Lebenswerk in die Hände des Schöpfers zurücklegen, wo ER selbst ihr großer Lohn ist.